Erleichterten Zugang zur sozialer Sicherung ALG II (Hartz IV)

Die Bundesagentur für Arbeit hat am 1. April 2020 eine neue Weisung für den „erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung (Sozialschutz Paket)“ und ergänzende Regelungen erlassen. Wir erinnern uns, dass Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) versprochen hat, dass der Zugang zu Hartz IV vereinfacht und unbürokratischer für die kommenden sechs Monate wird. So heißt es auf der Seite des Bundesarbeitministeriums (BMAS):

„Vorübergehend wird die Vermögensprüfung ausgesetzt sowie die tatsächliche Wohnungskosten voll übernommen.“

Die Bundesagentur für Arbeit nimmt in der Weisung Bezug zum „erheblichen bis vollständigen Ausfall des Geschäftsbetriebs“ durch Corona. Insbesondere sei dies für Kleinunternehmer und sogenannte Solo-Selbstständige in besonderem Ausmaß existenzbedrohend. Ein schneller Zugang zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV) muss von daher gesichert sein. Die Bundesagentur für Arbeit stellt dafür einen vereinfachten Antrag zur Verfügung und reagiert damit auf die bundesweite Kritik der bisher bestehenden hohen bürokratischen Hürden, um das Arbeitslosengeld II zu erhalten. Neuanträge nach dem vereinfachten Verfahren werden zunächst vorläufig entschieden und gelten für sechs Monate. Einen Ermessenspielraum für die Dauer haben die Jobcenter nicht.

Die wichtigsten Änderungen:

  • Vermögen wird für Neuanträge ab März bis zum 30. Juni 2020 für sechs Monate nicht berücksichtigt. Sollte das Vermögen jedoch mehr als 60 Tausend Euro für das erste Haushaltsmitglied betragen geht man davon aus, dass keine Hilfsbedürftigkeit besteht. Jede weitere Person im Haushalt wird mit 30 Tausend Euro berücksichtigt. Diese Höchstgrenzen lehnen sich an das Wohngeldgesetz (WoGG) an. Als Vermögen gelten Bargeld oder sonstige liquide Mittel. Nach Ablauf der sechs Monate erfolgt i.d.R. keine rückwirkende Prüfung des Vermögens, außer es wird festgestellt, dass die Angaben im vereinfachten Verfahren unwahr waren.
  • Wohnkosten werden für sechs Monate im tatsächlichen Umfang übernommen.
  • Bescheide, die zwischen dem 31. März und 31. August 2020 enden, wird ein Weiterbewilligungsbescheid – sofern keine Änderungen eingetreten sind – für weitere 12 Monate automatisch erstellt. Ein neuer Antrag ist nicht erforderlich. Ebenso werden keine sog. Beendigungsschreiben für diesen Zeitraum versandt. Rückfragen ergaben jedoch, dass die automatische Weiterbilligung (WBA) erst ab dem 1. Mai 2020 möglich sind. Ab diesem Zeitpunkt ist kein Mitarbeiter mehr im Weiterbewilligungsantrag involviert und der Antrag wird automatisch aus dem System generiert. Tipp: Unbedingt Kontakt mit dem Jobcenter aufnehmen, wenn für April keine automatische Weiterbewilligung erfolgte.
  • Änderungen der eigenen Verhältnissen sind weiterhin an die Jobcenter zu melden.
  • Solo-Selbstständige oder sonstige Kleinunternehmen sind weiterhin verpflichtet eine sog. Einkommenserklärung bei selbstständiger Tätigkeit (EKS) einzureichen. Auch hier gibt es einen vereinfachten Antrag: Die bisher umfangreiche Plausibilitätsprüfung wird vereinfacht, indem man davon ausgeht, dass kein Einkommen erzielt wird. Möglich ist jedoch eine Überprüfung des Einkommens, wenn davon ausgegangen wird, dass die Corona-Pandemie ein Ende hat und dieses auch von behördlicher Seite bestätigt ist.
  • Die bisherigen Regelungen der Kommunikation mit dem Jobcenter bleiben aufgrund der Schließung bestehen. Demnach sollen auch die formalen Anforderungen (Übersendung von Nachweisen, großzügigere Fristen, Fristenverlängerung) beim Neuantrag gelockert werden. Sofern notwendige Unterlagen nicht rechtzeitig beschafft werden können, ist trotzdem eine existenzsichernde Leistung zu erbringen. Befindet sich jemand in angeordneter Quarantäne (wichtiger Grund) wird der Hartz-IV-Antrag vorläufig bewilligt. Die Jobcenter sind verpflichtet dieses bekannt zu machen. Das bedeutet, dass ein Antrag postalisch, telefonisch oder per Email möglich ist. Daraus folgt:
  • Sanktionen nach §§ 31, 31a, 31b, 32 SSGB II werden ausgesetzt, da eine persönliche Anhörung nicht möglich ist.
  • Notlagen / Barauszahlung bleiben wie bisher bestehen und können als Darlehen genehmigt werden. Lebensmittelgutscheine sollten nur in absoluten Ausnahmefällen ausgegeben werden.
  • Zusätzliches Kurzarbeitergeld gilt als Einkommen und wird entsprechend angerechnet.
  • Mehrbedarf wegen häuslicher Quarantäne gibt es nicht. Die Bundesagentur für Arbeit geht in ihrer Weisung darauf ein, dass vermehrt Anträge einer einmaligen Leistung gestellt werden, um die häusliche Quarantäne vorzubereiten. Die Anträge werden damit begründet, dass „die Mehrkosten für ein gesundes, vitaminreiches und ausgewogenes Essen damit abgedeckt werden sollen“. Sie erwähnen auch, dass im Internet daraufhin gewiesen wird, diesen Antrag „massenhaft bei den zuständigen gE (Anm. Gemeinsame Einrichtung) gestellt werden sollen, damit Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werde“. Die Ablehnung des Mehrbedarfs wird damit begründet, dass die aktuelle Gesetzeslage dieses nicht vorsieht. Auch ist der derzeitige Regelsatz auskömmlich. Die Verwendung des Regelsatz liegt bei jedem selbst. Möglich wäre jedoch ein Darlehen oder eine vorzeitige Auszahlung von maximal 100 Euro. Zur Ablehnung des Mehrbedarfes gibt die Weisung einen Textvorschlag vor:
  • Soforthilfen – Liquiditätshilfen der Bundesländer und des Bundes für Selbstständige sind sog. zweckbestimmte Einnahmen und damit kein Einkommen. Eine Anrechnung auf die Regelleistung ist damit nicht erlaubt. Allerdings „kann“ es sein, dass die Soforthilfe zwar kein Einkommen darstellt, jedoch eine sog. Betriebseinnahme im Sinne der ALG II VO und somit unter Umständen angerechnet werden könnte. Das wäre dann evtl. der Fall, wenn ein Gewinn entsteht und dieser oberhalb der Freigrenze liegt.
  • Obdachlose / Personen ohne festen Wohnsitz ist eine tägliche Vorsprache bei einer Betreuungs- oder Beratungsstelle für Wohnungslose oder einer ähnlichen Stelle nicht erforderlich. Das Arbeitslosengeld II wird für mindesten einem Monat ausbezahlt.
  • Ortsabwesenheit können ohne persönlich Vorsprachen erfolgen. Sollte eine Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein, werden im Rahmen der Härtefallprüfung die Rechtsfolgen überprüft. Sollte eine Ausreise aus einem Land oder einer Region oder eigener Erkrankung nicht möglich sein, besteht der Leistungsanspruch weiter.
  • Angeordnete Quarantäne (Gesundheitsamt) führt nicht zur Leistungseinstellung.
  • Kinderzuschlag gilt weiterhin als Einkommen.
  • Bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit durch die Rentenversicherungsträger kann es zur zeitlichen Verzögerung kommen. Eine Unterbrechung des Arbeitslosengeldes II ist trotzdem durchgängig zu bezahlen.
  • Der automatisierte Datenabgleich wird weiter durchgeführt. Allerdings soll der Datenabgleich nicht prioritär stattfinden.
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